Dies ist eine der vielen Legenden dieser Welt.
Vielleicht sogar die erste.

Das erste Feuer
Es heißt, die Taverne sei nicht gebaut worden, sondern gewachsen – aus Zeit selbst. Manche schwören, sie hätten die Balken leise atmen hören, als sie zum ersten Mal eintraten. Andere behaupten, der Boden unter ihren Füßen habe geklungen wie ein Herzschlag.
Doch ohne Feuer ist jedes Haus nur eine Hülle. Als der erste Gast kam, war es dunkel und kalt. Die Luft hielt den Atem an. Alles wartete.
Dann – ein Funke. Niemand weiß, woher er kam. Manche sagen, er sei aus einem verlorenen Moment geboren, andere flüstern, es sei die erste Sekunde einer Welt gewesen. Der Funke fiel in den alten Kamin, der schon stand, bevor die Taverne Mauern kannte. Und er brannte.
Nicht wie Holz brennt. Nicht wie Öl. Es war flüssige Zeit, die sich entzündete, golden und warm.
Aus den Flammen trat ein Kind. Seine Haut glühte wie Kohle, und seine Augen schimmerten, als hielten sie den ersten Sonnenaufgang einer Welt. Calen, flüsterten die Mauern. Vielleicht war es der Name der Taverne selbst.
Seitdem tanzt er im Feuer, wächst und schrumpft wie eine lebendige Flamme. Jeder Gast, der eine Geschichte erzählt, füttert ihn. Jeder Augenblick, der am Kamin geteilt wird, lässt ihn heller schimmern.
Manchmal, spät in der Nacht, wenn alle schlafen, sitzt eine Frau im Schatten des Feuers. Sie legt die Hand auf das alte Holz des Kamins, und für einen Herzschlag wird das Knistern leise. Dann sieht man kleine Funken zwischen ihrer Hand und den Flammen wandern – als würden Mutter und Kind miteinander sprechen.
Doch das ist nur ein Flüstern unter vielen. Eine von tausend Geschichten, die das Feuer nährt.
Und wie alle guten Geschichten endet sie mit einem Lächeln und einem Fragezeichen.
So steht es im Buch der Chroniken.
Überliefert am Feuer. Geteilt in Stille.